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Eine Stunde später lehnte sich Carmen mit verschränkten Armen auf ihrem Stuhl zurück und überdachte ihre Situation. Sie ging nun in die Gemeinschaftsschule. Was war anders geworden? Die Lehrer waren eher jung als alt, trotzdem vermisste sie eine Klassenlehrerin, die vorne unterrichtete, wobei es sich herrlich dösen ließ. Es
gab Lernateliers mit Computern, aber niemand sagte ihr, was von ihr erwartet wurde. Es gab keine verschlossenen Türen, aber trotz offener Räume stellte sich bei ihr schnell lähmende Langeweile ein. Die meisten Schulkinder kannten sich seit Jahren, dadurch fühlte sie sich ausgeschlossen. Sie überlegte, warum die Stühle in
diesem Raum in Kreisform angeordnet waren. War das eine moderne Form des Unterrichts?
Wie auf ein Zauberwort drängten sich Jungen und Mädchen in den Unterrichtsraum. Rechts von ihr hockte ein pausbäckiges Mädchen in ihrem Alter, links saß ein etwa zehnjähriges Mädchen mit dunklen kurzen Haaren. Das dicke Mädchen fragte sie heiter: "Was machen wir hier?" Carmen zuckte die Schultern. Daraufhin sagte das
jüngere Mädchen gewitzt: "Spionage pur. Du sollst erzählen, was du in den Ferien gemacht hast. Und schon wissen sie alles über dich"
Durch Carmen ging ein Ruck. Ihr schräg gegenüber saß der blasse scheue Junge. Wo kam der her? Ihre Entdeckung verwandelte sie augenblicklich in ein vor Lebensfreude übersprühendes dreizehnjähriges Topmodel. Sie fing an laut zu kichern und rief geziert: "Meine Alten sind so was von durchgeknallt. Haben mich nach
Brasilien geschleift. Dort musste ich auf der Copacabana Werbung für High Heels machen." Wie geplant, starrte sie der Hauptteil der Schülerinnen mit offenem Mund an.
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