Home Tolli im Hexen-Internat


39. Tief im Wald

Blitzi lief nach vorne und fragte die Hexe Fantastika: "Welchen Weg gehen wir heute, Mary?"
Ohne ihre Schritte zu verlangsamen, erwiderte die Outdoor-Hexe: "Zuerst durch den Buchenwald, dann ein Stück um den Seufzersee, von dort zur Nebelklinge und weiter zum Hexentanzplatz."
"Hier gibt es einen Hexentanzplatz?" Kraki, die alles mit angehört hatte, blieb verwundert stehen.
"Hexentanzplatz?", posaunte Krassi. Bald wussten es alle Mädchen. Die heutige Wanderung würde sie zu einem Hexentanzplatz führen. Endlich mal eine Abwechslung bei all dem Geschwatze mit Vögeln, Fischen und Waldtieren.
Schnippi kicherte in sich hinein. "Meint ihr, wir dürfen dort tanzen?"
"Das kannst du dir abschminken", sagte Frosti kühl. "Erstens sind wir noch keine Hexen und zweitens ist uns alles verboten, was irgendwie Spaß machen könnte."
"Du sagst es", stimmte Tolli ihr zu. "Wir haben ja auch keinen Besen dabei."
"Zu schade", bedauerte Belli. "Der Rückweg ist immer so weit."
In diesem Augenblick blieb die Hexe Fantastika stehen und hob die Hand. Alle Mädchen blickten gespannt, konnten jedoch kein Waldtier entdecken. Bis Natti hauchte: "Ein Wiesel."
"Wo?" "Da oben im Baum." "Quatsch, das ist doch kein Wiesel. Das ist ein Eichhörnchen."
Es war tatsächlich ein Eichhörnchen, ein schwarzes, das auf einem Buchenast saß und neugierig zu ihnen herunter äugte. Seine kurzen Pinselohren zuckten hin und her.
"Wie süß!"
Die Hexe sprach: "Tak, tak, tak." Das Eichhörnchen erwiderte: "Tschak." Nach weiteren Tschaks erklomm das Eichhörnchen hurtig einen höheren Ast. Bald war es im Baumwipfel verschwunden.
"Was hat es gasagt, Mary?"
"Wer von euch weiß es?" Die Hexe Fantastika sah ihre Schülerinnen der Reihe nach an.
"Vielleicht: Hallo!", riet Walli. "Das auch", stimmte die Hexe ihr zu. "Für mich hörte es sich an, als würde es so etwas wie Hi, was seid ihr denn für welche? sagen", schlug Frosti vor. "Ich finde, es hat gesagt: So viele Leute im Wald. Da hau ich lieber ab", versicherte Tolli. "Ne, ne. Es hat gesagt: Wo geht ihr denn hin?" "Quatsch! Es sagte: Habt ihr gesehen, wie gut ich turnen kann?"
Die Mädchen gerieten ein wenig in Streit, bis die Hexe rief: "Weiter geht's!" und sie stapften tiefer in den Zitterwald hinein.
***
Sie hatten ein paar Waldtiere getroffen, flinke Spitzmäuse, Frösche im Teich, scheue Wildkaninchen, drei Rehe und zahlreiche geschwätzige Rabenkrähen, aber keinen Hexentanzplatz gesehen. "Gleich sind wir dort", versicherte die Hexe Fantastika gelassen. Sie hielt Wort. Nach einer schmalen Felsenschlucht traten sie auf eine Waldlichtung hinaus und rechts von ihnen stand ein altes verlassenes Forsthaus, dessen großer quadratischer Vorplatz geteert war.
"Wohnt da jemand?" Tolli rannte übermütig auf das einsame Gebäude zu. Fenster und Türen waren verschlossen, die Gartenpforte hing schief in den Angeln, der Schornstein war teilweise eingestürzt.
"So viel ich weiß, ist das Haus unbewohnt," erzählte die Hexe Fantastika.
"Wer hat denn da mal gewohnt?"
"Der Förster. Aber das ist schon einige Jahre her. Als er in den Ruhestand ging, wurde seine Stelle nicht mehr besetzt. Das bedauere ich sehr. Es fehlt eine ordnende Hand im Wald. Eine sinnvolle Pflege des Waldes ist so wichtig."
"Toll, dass der Platz so sauber ist!", freute sich Schnippi. Versuchsweise tanzte sie eine kleine lustige Polka. Sogleich schlossen sich ihre Freundinnen an. Belli und Tolli übertrafen sich an ausgelassenen Luftsprüngen und gewagten Pirouetten.
Zu schade, jetzt hätten sie gerne ihre Flugbesen dabei gehabt!



© 2010 Helga Kochert. Alle Rechte vorbehalten / All Rights Reserved