Home Tolli im Hexen-Internat


33. Blitzi greift ein

"Mein Wahrheitstrank ist fertig!", frohlockte die Hexe Feuerwerk. "Wer meldet sich freiwillig zum Test?"
Ringsum herrschte Grabesstille. "Wer von euch ist die Klassensprecherin?" Die Hexe schwenkte temperamentvoll eine kupferne Schöpfkelle.
Zögernd hob Blondi die Hand. "Dann komm mal her!", befahl ihre Chemielehrerin. Als hätte Blondi Bleischuhe an, schlich sie nach vorne. Unerwartet hielt die Hexe ihr die Nase zu. Erschrocken schnappte Blondi nach Luft und schon musste sie einen ordentlichen Schluck Wahrheitstrank herunterwürgen. Igittt! Ihre Mitschülerinnen schrien entsetzt auf.
"Ruhe!", befahl die Hexe Feuerwerk. "Nun wollen wir mal den Trank testen. Wie findest du die Hexenschule?"
"Ätzend", antwortete Blondi mit blassen Wangen und glasigem Blick.
"Wie gefällt dir der Samstagsunterricht?"
"Ätzend."
"Wie schmeckt der Wahrheitstrank?"
"Ätzend."
"Wie findest du deine Klassenlehrerin?"
"Ätzend."
"Wie findest du mich?"
"Echt ätzend."
Wütend sprang Blitzi auf. "Halt! Das ist unfair!", rief das Mädchen aufgebracht und rannte nach vorne. "Sehen Sie nicht, Blondi ist schon ganz weiß im Gesicht. Gleich wird sie ohnmächtig. Ich bringe sie auf die Krankenstation." Mit diesen beherzten Worten nahm sie Blondis Hand und führte ihre Mitschülerin aus dem Chemiesaal, bevor die Hexe etwas dagegen unternehmen konnte.
"Ja, ist denn was mit meinem Zaubertrank?" Völlig aus dem Konzept gebracht, schlürfte die Hexe Feuerwerk etwas Wahrheitstrank aus der Kelle. "Hm." Sie leckte sich die Lippen. "Nein. Alles in Ordnung." Wie erstarrt stierte sie eine Weile vor sich hin. Dann sagte sie aufgebracht: "Ich hasse diese Schule! Ich hasse diesen Unterricht! Und jedes Jahr eine neue Schar ahnungsloser junger Gänschen, die endlos schnattern und glauben, später einmal eine berühmte Wunderhexe zu werden. Aber dazu braucht man nicht nur Grips, sondern auch Kreativität und Talent. Damit hapert's meist. Was werden sie dann? Hirnlose Quatschhexen als Moderatorin in einer Peepshow."
Traurig nahm sie einen weiteren Schluck, während die Schülerinnen sie verängstigt beobachteten.
Schließlich legte die Hexe die Kelle zur Seite, schloss den Deckel des Kessels, in dem der Wahrheitstrank brodelte, und erklärte patzig: "Das eine sage ich euch! Wenn ihr auch meint, ganz besonders schlau und cool zu sein, es nützt euch nichts! Nur ganz wenige werden eine Vollbluthexe, die anderen enden als billige Wischi-Waschi-Hexen in einem Kosmetikstudio oder in einer Eisdiele! Jawohl!"
Nach dem Chemieunterricht, dessen chaotischer Verlauf die Mädchen ziemlich geschockt hatte, eilten sie nach oben, wobei sie aufgeregt die Ereignisse besprachen.
"Das war echt cool von Blitzi", sagte Frosti beeindruckt. "Wenn die Hexe Feuerwasser weiter gefragt hätte, könnte sich Blondi nie mehr im Spiegel ansehen, ohne einen Weinkrampf zu kriegen."
"So eine gemeine Hexe!", schimpfte Schnippi los. "Na ja! Sie wollte halt beweisen, dass ihr Wahrheitstrank funktioniert." Tolli stieg zwei Stufen auf einmal hoch.
"Mir tut die Hexe Leid", bemerkte Belli überraschend.
"Was? Und Blondi tut dir nicht Leid!", regte sich Krassi auf. "Schon", meinte Belli. "Aber die Hexe ist irgendwie hilflos."
"Davon haben wir nichts!", rief Supi herablassend. "Hört mal! Glaubt ihr, Blondi bleibt Klassensprecherin, nach diesem Vorfall?"
"Keine Ahnung." "Blitzi wäre eine bessere Klassensprecherin." "Sie und Blondi sind noch nicht zurück!" "Vielleicht hat Blondi einen Nervenzusammenbruch." "Spinnst du!" "An ihrer Stelle würde ich das Amt als Klassensprecherin hinschmeißen." "Wie sie immer bei der Hexe Berberitze katzbuckelt und jetzt diese Blamage!" "Sie kann einem Leid tun." "Mir nicht. Ich finde, Blondi ist echt eine Katastophe."
Die Stimmen der Mädchen verhalten auf der Kellertreppe.



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