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25. Flucht und Enttäuschung
Schlagartig verstummte die Musik, kreischend rannten die Mädchen zur Hintertür der Disco. Es entstand ein dichtes Gedränge, in dem die vier Freundinnen fast steckenblieben. Die
roten Gestalten der Zauberschüler verloren sich blitzschnell im Dunkeln.
Tolli war als erste draußen. "Wo lang?", schrie sie Frosti zu, die sich gerade mühsam inmitten von hektischen Schülerinnen durch den Notausgang zwängte. "Durch die Küche!" Jetzt hatten
es auch Schnippi und Belli geschafft, sich zu ihnen durchzukämpfen. "Mir nach!", schrie Frosti den Freundinnen zu. Was für ein Glück, dass sie sich im Keller
auskannte! Keuchend jagten sie einen finsteren Gang entlang, hetzten schmale Stufen hinauf und stolperten durch eine schwere Brandschutztür in die stille unbeleuchtete Küche. Hier
wußte Schnippi Bescheid. Eilig führte sie die anderen zum Ausgang der Wirtschaftsräume. Sie horchten misstrauisch, bevor sie sich zum Treppenaufgang schlichen. Kein Laut unterbrach die Stille.
Wo waren nur all die flüchtenden Schülerinnen geblieben?
Auf leisen Sohlen huschten die Freundinnen in ihr Zimmer, wo sie sich aufatmend in ihr Bett verkrochen und ängstlich lauschten, ob sie verfolgt würden.
Kein außergewöhnliches Geräusch war zu hören. Erleichtert schlossen sie die Augen. Jetzt merkte Tolli, wie müde sie war. Es dauerte nicht lange, da war sie tief und fest eingeschlafen.
***
Am nächsten Morgen erwachte Tolli mit einem unguten Gefühl in der Magengegend. Schreck lass nach, sie trug noch ihren selbst geschneiderten Tanzrock und das lilafarbene Oberteil! Schnell zog sie die verräterischen
Sachen aus und versteckte sie unter ihrem Bett. Bei dem Gedanken an ihren Discobesuch musste sie dennoch lachen. Das war vielleicht ein aufregendes Abenteuer gewesen! Und dann waren auch
noch Zauberschüler aufgetaucht, darunter einer mit blauen Augen, deren spöttisches Funkeln sie ganz deutlich vor sich sah, und schwarzen Haaren, die wie Antennen vom Kopf abstanden. Allein die
Erinnerung an ihn ließ ihr Herz schneller schlagen. Sie hatte ihm ihre Handynummer gegeben. Wie er wohl hieß?
Da öffnete die Hexe Reibeisen die Tür und rief mit knarrender Stimme: "6 Uhr! Aufstehen!" Da sie eine Wetterhexe war, fügte sie gerne den Wetterbericht hinzu. Diesmal warnte sie: "Klare Morgenluft, aber dicke Luft im Internat."
Belli, Frosti und Schnippi schreckten in ihren Betten hoch. Tolli, die sich schon angezogen hatte, sagte leise: "Bestimmt meint sie einen nächtlichen Skandal."
Die vier Mädchen konnten nicht anders, sie mussten kichern. Was hatten sie für einen Spaß diese Nacht! Aber jetzt hieß es, sich hurtig anziehen und nach unten ins Klassenzimmer eilen.
Alle dreizehn Mädchen steckten später die Köpfe zusammen und riefen aufgeregt: "Wieso dicke Luft?"
Krachend wurde die Klassenzimmertür aufgerissen, die Hexe Berberitze stürmte herein. Ihre düstere Miene verhieß nichts Gutes. Hastig rannten die Schülerinnen zu ihren Plätzen.
"Heute Nacht ist Ungeheuerliches geschehen!", schimpfte die Hexe los. Ihr Gesicht verzog sich vor Ärger. Vorsichtshalber duckten sich die Schülerinnen hinter ihren Netbooks. So eine wütende Klassenlehrerin hatten sie noch nie erlebt.
"Schülerinnen der höheren Klassen haben das Vertrauen der Schulleitung für eigene verbotene Aktionen sträflich missbraucht und Schande über die Hexenschule gebracht. Jede Täterin wird strengsten bestraft, ein Schulverweis ist sicher.
Wer von euch irgend etwas darüber weiß, meldet es mir umgehend. Habt ihr verstanden?"
Die Mädchen nickten stumm. Blondi drehte sich zu der letzten Reihe um, dabei zog sie die Stirne in Falten, als wüsste sie genau Bescheid. Die vier Freundinnen, die größte Mühe hatten, ihre Müdigkeit zu verbergen, erwiderten kaltblütig
den scharfen Blick der Klassenkameradin.
Sicherheitshalber erwähnten die Freundinnen ihr Abenteuer erst wieder, als sie in der Pause in einem abgelegenen Winkel auf dem Schulhof standen. "Die machen ja ein Theater", murmelte Schnippi entsetzt. "Ob sie jemanden erwischt haben?"
"Hoffentlich nicht Zorri", überlegte Frosti besorgt. "Bloß das nicht. Schließlich wollen wir bei der nächsten Disco wieder mit dabei sein", meinte Tolli übermütig. Belli bezweifelte, ob sie dann überhaupt eingeladen wurden. "Die sind doch alle so hochnäsig."
"Ja. Und bei Gefahr kümmern sie sich keinen Deut drum, was mit uns ist", bemängelte Schnippi.
"Finde ich nicht", widersprach Frosti ihr. "Zorri ist schwer in Ordnung. Was kann sie dafür, dass die Hexe Biskaya im Keller auftauch? In der Aufregung hat eben nur jeder an sich selbst gedacht. Was ich gut verstehen kann, denn wer will schon
von der Schule fliegen."
"War doch irre in der Disco!", rief Tolli in Hochstimmung.
"Hätte nie geglaubt, dass dort Zauberschüler auftauchen", bekräftigte Schnippi.
Pst!", raunte Frosti, "Der Feind hört mit."
Tatsächlich. Ganz zufällig schlenderte Blondi an ihnen vorbei. Schnell wechselten die Freundinnen das Thema.
Die Stimmung in der Hexenschule blieb angespannt. Etwas Unheilvolles lag in der Luft. Über den Schulskandal wurde nicht gesprochen, nur heimlich gemunkelt. Mittags in der Mensa atmete Frosti hörbar auf. "Ich sehe Zorri, Wespi und Klappi", flüsterte
sie den drei Freundinnen zu.
Als die vier Freundinnen in ihrem Zimmer am Tisch saßen, um ihre Hausaufgaben zu erledigen, legten sie wie auf Kommando ihr Handy neben das Netbook, als würden sie auf einen wichtigen Anruf warten.
"Sagt mal", Schnippi kniff ein Auge zu, "bin ich nicht die einzige?"
"Wie meinst du das?" Tolli sah sie beunruhigt an.
"Na, der Zauberschüler mit den Antennenhaaren, er hat mich nach meiner Handynummer gefragt."
"Was! Dich auch?" Durch die Mädchen ging ein Ruck. Es stellte sich heraus, er hatte sich von ihnen allen die Handynummer geben lassen.
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