Home Tolli im Hexen-Internat


24. Bauchtanz-Disco

Nach dem Abendessen sprang Tolli vergnügt die Treppen hinauf in ihr Zimmer. Ihre schlechte Laune war wie fort geblasen. Aufgeregt stürzte sie sich mit den Freundinnen auf die Kleiderschränke, um nach einem irren Outfit für die Bauchtanz-Disco zu suchen. Was für ein Jammer, dass die Schulleitung nur einfache, praktische Kleidung erlaubte, dementsprechend sahen ihre Klamotten aus.
"Ich brauche was ganz fetziges!", jammerte Schnippi vor einem Stapel T-Shirts. "Wie wär's damit?" Triumphierend zog sie ein türkisfarbenes Top hervor.
"Leihst du mir das?", bat Frosti händeringend. Aufgeregt grub sie in ihrem Schrank nach ein paar Badeschlappen. "Das gleiche Türkis wie dein Top!"
"Und was soll ich anziehen? Kannst du mir das verraten?" Schnippi verdrehte theatralisch die Augen, bis Belli mit einem weißen Oberteil vor ihrer Nase herum wedelte. "Wie wär's damit?"
"Super! Her damit!" Lässig warf Schnippi ihr Top in die Höhe. Sofort schnappte Frosti danach.
Tollis Schrankinhalt erwies sich als völlig ungeeignet. Da hatte sie eine Idee! "Ich nähe mir aus dem Tischtuch einen Rock!", jubelte sie. Schnell holte sie ihr Nähzeug.
"Hast du heute deinen kreativen Tag?", fragte Schnippi spitz. "Wer von euch hat Bermudashorts? Hotpants wären mir natürlich lieber!"
"Ich!" Belli zerrte einen Stapel Hosen hervor. Begeistert balgten sich die Mädchen um die begehrten Kleidungsstücke.
Ihr Plan stand fest. Um neun Uhr, wenn sie das Licht ausschalten mussten, würden sie sich fertig angezogen ins Bett legen und um zehn Uhr in den Keller schleichen. Was für ein irres Abenteuer! Ihr Kichern wollte kein Ende nehmen. Unerwartet steckte Blondi den Kopf zur Tür hinein. "Habt ihr ein Pflaster?" Misstrauisch starrte sie auf das Durcheinander im Zimmer.
"Hier ist eins!" Schnell schloss Tolli die Tür. Für Verräter hatten sie jetzt wahrhaftig keine Zeit.
* * *
Gedämpft klingelte der Wecker unter Frostis Kopfkissen. Mit einem Satz war sie aus dem Bett. "Leute, es geht los!"
"Was ist?", murmelte Tolli. Der helle Strahl einer Taschenlampe leuchtete ihr ins Gesicht. "Discotime", summte ihr Belli ins Ohr. "Leise", mahnte Schnippi sie.
"Am besten ziehen wir die Schuhe aus", schlug Frosti vor. Barfuß verließen sie ihr Zimmer. Tollis Herz klopfte wie wild. Sie folgte Frosti und Schnippi über den Flur zur Treppe. Belli mit der Taschenlampe leuchtete ihnen den Weg. Sie trafen niemanden, weil ab zehn Uhr abends alle Schülerinnen des Hexen-Internats sich in ihren Zimmern aufhalten mussten.
Beherzt öffnete Frosti die quietschende Kellertür. Dort unten war es stockdunkel. In diesem Augenblick huschte eine Gruppe älterer Schülerinnen an ihnen vorbei die steile Treppe hinunter. Sie wollten bestimmt zur Bauchtanz-Disco. Nichts wie hinterher!
Eine Tür wurde aufgerissen, laute Discomusik dröhnte ihnen entgegen.
WIR WOLLEN ROCKEN AUF DEM BROCKEN. JA, JA!
Blaue Blitze zuckten über die Tanzfläche, auf der ein dichtes Gedränge herrschte. Geblendet blinzelte Tolli in grelles Scheinwerferlicht. "Das Passwort?", herrschte sie eine giftige Stimme an. "Äh, Waschbrett."
"Okay." Die Türsteherin schob sie energisch in die Disco hinein. Tolli lachte überwältigt. Was für eine super Stimmung! Ihr Outfit passte bestens dazu.
JA, JA! NEUE HEXEN BRAUCHT DAS LAND! JA, JA!
Sie überließ sich dem Rhythmus der Musik, fühlte sich wie schwerelos, beobachtete die älteren Schülerinnen, die sie um ihre gewagten bauchfreien Klamotten und verrückten Frisuren beneidete. Ewig hätte Tolli so tanzen können.
"Das ist Zorri." Frosti zeigte auf ein Mädchen in einem lackglänzenden Minirock mit Federboa. Krachend ging die Tür auf, ein paar rot gekleidete Gestalten mit roten Masken schoben sich herein, die sogleich von Zorri und ihren Freundinnen stürmisch begrüßt wurden.
"Zauberschüler", japste Frosti. Begeistert warf Tolli die Arme in die Höhe. Das ganze hier kam ihr wie ein fantastischer Traum vor. Willenlos ließ sie sich von der Musik mitreißen.
DU, MEIN LIEBER ZUCKERZWERG, KOMM MIT MIR ZUM ZAUBERBERG!
Plötzlich murmelte eine betörende Stimme in ihr Ohr: "Gibst du mir deine Handynummer?"
Überrascht blickte Tolli zur Seite und schnappte nach Luft. Ein paar spöttische blaue Augen hinter einer roten Maske blickten sie unverschämt an. Der Zauberschüler war viel größer als sie. Da seine Maske nur die Augenpartie bedeckte, konnte sie eine gerade Nase, einen lachenden Mund und ein kräftiges Kinn sehen. Seine wirren dunklen Haare standen wie Antennen vom Kopf ab.
Augenblicklich schwebte Tolli auf Wolke sieben. "Bei Zauberschülern sage ich nicht nein!", rief sie keck. Das verführerische Klappern mit den Augendeckeln wollte ihr nicht so recht gelingen.
Der Zauberschüler sagte etwas, was sie in dem Lärm nicht verstand. Er drückte ihr sein Handy in die Hand. Wie hypnotisiert tippte sie ihre Nummer ein.
Plötzlich ein Entsetzensschrei von der Tür her: "Alarm! Die Hexe Biskaya!"



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