Home Tolli im Hexen-Internat


15. Regenwolken

"Ich sehe was, was du nicht siehst", sagte Belli nach dem Mittagessen zu Tolli. "Was denn?"
Belli zeigte zum Fenster. "Dicke Regenwolken. Wenn wir nachher in den Zitterwald müssen, gibt das todsicher eine tüchtige Dusche."
"Da kannst du Recht haben", stimmte Tolli ihr zu, sah aber keinen Grund, sich nicht auf ihren ersten Waldlehrgang mit der Hexe Fantastika zu freuen. Ihre drei Freundinnen waren anderer Meinung. "Wie kann die uns bloß bei diesem abscheulichen Wetter in den Wald jagen!", beschwerte sich Schnippi und zog eine Schnute. "Sollen wir uns krank melden?", überlegte Frosti ernsthaft. Doch dann siegte ihre Neugierde. Mit der Hexe Fantastika durch den Zitterwald zu ziehen, bedeutete bestimmt einiges an Überraschungen. Die wollten sie dann doch nicht verpassen.
"Was ziehen wir an?", fragte Belli besorgt. "Am besten einen Friesennerz, wenn ich einen hätte!", rief Schnippi aufgebracht. "Und klobige Gummistiefel."
"Nimm doch deine elegante Lackjacke!", riet Frosti ihr. "Damit sie gleich hässliche schwarze Flecken kriegt", argwöhnte Schnippi.
Schließlich einigten sich die vier Freundinnen auf Regenjacke mit Kapuze und Wanderschuhe.
"Wie ich aussehe!", stellte Belli später entsetzt vor dem Spiegel fest. "Meint ihr, wir treffen draußen einen Zauberschüler?"
Alarmiert schaute Schnippi von ihrem Netbook auf. "Im Ernst? Was sollen die heute im Zitterwald machen? So einen ätzenden Stundenplan wie wir haben die bestimmt nicht."
"Vielleicht joggen sie bevorzugt bei Regenwetter, um sich abzuhärten. Man kann nie wissen."
Kurz vor vierzehn Uhr eilten die vier Freundinnen zu ihrem Treffpunkt mit der Hexe Fantastika. Wie befürchtet, regnete es in Strömen. Ihre neun Mitschülerinnen, alle in Regenjacken eingemummelt, warteten bereits auf der breiten Treppe vor dem Hexeninternat. Dort standen auch einige ältere Schülerinnen, die heimlich rauchten und sich über die Kindis lustig machten. "Na, geht's mit der Outdoor-Hexe nach draußen, um Eulen zu zählen?", ertönte es hämisch. "Aber nicht schlapp machen!"
War es Zufall oder ein Wunder? Wie auf ein Zeichen hin hörte es plötzlich auf zu regnen. Dann erschien die Hexe Fantastika. Sie trug einen praktischen schwarzen Regenumhang und gab den Mädchen ein Zeichen, ihr zu folgen. Mit hängenden Köpfen stapften die dreizehn Schülerinnen hinter ihr her in den tropfnassen Zitterwald, begleitet vom lauten Gekicher der älteren Schülerinnen, die den Abmarsch mitleidslos beobachteten.



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