Home Tolli im Hexen-Internat


12. Ein Test

Durchfroren aber in guter Stimmung liefen die dreizehn neuen Schülerinnen vom Sportplatz in ihr Klassenzimmer, wo sie gleich Giftkunde bei der Hexe Berberitze hatten. Aufgewühlt von ihrer ersten Flugstunde auf dem Besen, die recht glimpflich verlaufen war, schrien sie alle wie wild durcheinander.
Tolli, Belli, Schnippi und Frosti steckten eifrig die Köpfe zusammen und besprachen Tollis rasanten Höhenflug. "Hast du wirklich das Dach der Zauberschule gesehen?" Vor Erstaunen riss Belli die Augen weit auf.
"Ja. Es ist blutrot und liegt von uns aus gesehen hinter dem Schulgarten!"
"Was! So nah?" Schnippi schaute ungläubig.
"Nein. Nicht direkt, sondern in Luftlinie etwa einen Kilometer entfernt."
"Was meint ihr, ob wir demnächst mal einen Zauberschüler sehen?", überlegte Schnippi laut. Da ging mit einem lauten Schlag die Klassenzimmertür auf und die Hexe Berberitze stand im Türrahmen. "Ruhe!", rief sie mit donnernder Stimme. Und noch einmal: "Ruhe!"
Sofort verstummten die Mädchen. Vorbei war es mit Schwatzen und Lachen, ihre Klassenlehrerin verlangte eiserne Disziplin. Wenn sie nicht alle in der Probezeit gewesen wären, hätten sie sich dagegen aufgelehnt.
Mit versteinertem Gesicht erklärte die Hexe Berberitze: "Heute schreiben wir zuerst einen Test. Ich will wissen, was ihr von der letzten Stunde behalten habt."
"Buh!" Mit langen Gesichtern öffneten die Schülerinnen ihr Netbook und loggten sich seufzend ein.
"Seid ihr soweit?", fragte die Hexe unwirsch. "Auf dem Desktop seht ihr das Icon für Test. Anklicken und weitere Anweisungen abwarten!"
"So ein Scheibenkleister!", zischte Schnippi zwischen den Zähnen hindurch. Tolli kicherte.
"Was gibt es da zu kichern!", schimpfte die Hexe Berberitze. "Spart euch eure Kräfte besser für den Test auf. Letzte Stunde haben wir die Tollkirsche besprochen. Das ist das Thema."
"Wo ist denn nun der Test?, rutschte einem Mädchen heraus.
"Unüberlegte Fragen kann ich nicht ausstehen", warnte die Hexe sie. Mit dem Fingerknöchel klopfte sie energisch auf den Lehrertisch. "Ruhe jetzt! Habt ihr alle angeklickt?"
"Mit der rechten oder der linken Maustaste?"
"Natürlich mit der linken!", zeterte ihre Klassenlehrerin. "Sieht jetzt jeder von euch Test 1 auf dem Bildschirm?"
"Wo?" "Na da!" "Ach so!"
"Anklicken!", befahl die Hexe ungeduldig. Als Tolli das entsprechende Icon anklickte, sah sie einen mausgrauen Fragebogen mit zehn Fragen auf dem Bildschirm erscheinen. "O Graus!"
Schweigend schritt die Hexe Berberitze die Tischreihen ab, um zu kontrollieren, ob auch alle Schülerinnen die betreffende Bildschirmseite aufgerufen hatten. Die Hexe nickte zufrieden und befahl: "Schreibt eure Antworten und schickt den Fragebogen an mich ab!"
"Wie denn?", jammerte Blondi in der ersten Reihe. "Ganz einfach", erklärte die Hexe Berberitze ihr mit einem für ihre Verhältnisse ungewöhnlichen Lächeln. "Wenn du mit dem Test fertig bist, klickst du den Button abschicken an."
"Danke!", säuselte Blondi, worauf Frosti die neben ihr sitzende Schnippi anstieß und angewidert das Gesicht verzog.
Tolli grinste in sich hinein. Sie könnte doch heimlich in ihren Aufzeichnungen von gestern über das Gift der Tollkirsche nachlesen. Als hätte die Hexe ihre Gedanken gelesen, sagte diese: "Damit ihr euch keine falschen Hoffnungen macht. Das Internet ist für euch gesperrt. Einzige Ausnahme: ihr dürft zu bestimmten Sprechzeiten über das Internet mit euren Eltern telefonieren und euch gegenseitig sehen. Ansonsten befindet ihr euch im Intranet der Hexenschule. Während eines Test sind alle anderen Funktionen eures Netbooks gesperrt. Ihr könnt keine weiteren Fenster öffnen."
Unbekümmert ließ Tolli den Test über sich ergehen. Sie wusste, in der vierten Stunde hatten sie Pflanzenkunde bei der Hexe Vineta, auf deren Unterricht sie gespannt war.
An diesem Morgen waren alle froh, als die Hexe Berberitze endlich das Klassenzimmer wieder verlassen hatte.
"Am liebsten sehe ich die Giftzecke von hinten!", schimpfte eine Schülerin genervt. Alles lachte. Dieser Spitzname passte gut auf die Hexe.



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